Eine fesselnde Neuinterpretation aus Homers Odyssee
Auf der griechischen Insel Ithaka wird seit Jahrhunderten ein grausames Ritual vollzogen: Jeden Frühling werden zwölf Jungfrauen dem Meeresgott Poseidon als Opfergabe dargebracht. Leto, eine junge Querulantin, ist unter den nächsten Erwählten. Allerdings ist sie...
Eine fesselnde Neuinterpretation aus Homers Odyssee
Auf der griechischen Insel Ithaka wird seit Jahrhunderten ein grausames Ritual vollzogen: Jeden Frühling werden zwölf Jungfrauen dem Meeresgott Poseidon als Opfergabe dargebracht. Leto, eine junge Querulantin, ist unter den nächsten Erwählten. Allerdings ist sie nicht bereit dazu, sich ihrem Schicksal zu fügen. Im letzten Moment wird sie von einer geheimnisvollen Kraft gerettet und findet sich auf einer unbekannten Insel wieder. Dort trifft sie auf Melantho, die über die Macht verfügt, das Meer zu kontrollieren. Melantho behauptet, dass ein Tod Tausende retten kann. Die beiden Frauen schließen sich zusammen, um den Prinzen von Ithaka zu finden und ihn zu töten. Nur so können sie das Ritual beenden und die Insel vor dem Untergang bewahren. Aus einem kleinen erzählerischen Faden der Odyssee spinnt Sarah Underwood hier eine völlig neue Sage über Liebe, Schicksal und Widerstand.
SARAH UNDERWOOD wuchs am Meer in Devon, England auf. Sie studierte Imperial College in London und in Cambridge. Sie hat einen Master in Gesundheitswissenschaften. Ihr Debut-Roman Lügen, die wir dem Meer singen erschien nur einen Tag bevor sie ihre Dissertation einreichte. Abgesehen von Büchern hat sie einen Faible für frische Aprikosen, Brettspiele und ihre in die Jahre gekommenen Hühner.
Der Prinz räusperte sich. Seine warme, sonnengebräunte Haut war nass von Schweiß, der ihm die Locken an die Stirn klebte und ihn in der Sonne wie Bronze glänzen ließ. Sein Blick huschte immer wieder zu Letos Gesicht. Für einen jämmerlichen Feigling, der sein Volk in den Betten verhungern ließ, war er schändlich schön, wie ein Porträt mit harten Linien und glatter Haut, mit Augen, Brauen und Lippen in anbetungswürdigen Bögen aus Zeichenkohle. Seine Stimme war, als er sprach, trotz des Zitterns weich und melodisch. »Wenn ihr aus diesem Leben scheidet, so möge euer Körper sein wie die Wellen, mögen eure Knochen sein wie der Sand, mögen eure Seelen frei fliegen wie die Möwen und über uns wachen. O großer Poseidon, nimm dieses Opfer an.« Beim letzten Wort brach seine Stimme. Dann sagte er: »Es tut mir so leid.« Ein gedämpftes Raunen der Wachen verriet Leto, dass dies nicht zur vorbereiteten Rede gehörte. »Wenn ich irgendetwas tun könnte …« Er brach ab. Seine Augen, immer noch auf Leto gerichtet, waren groß und flehend. Sie hätte ihm beinahe vergeben können. Doch im letzten Moment, als er das Kinn mit einem widerstrebenden Nicken senkte und seine Wache das Schwert hob und es in einem glitzernden Bogen auf die Seile herabsausen ließ, die die Bretter unter ihr hielten, schaute der Prinz weg. Feigling.