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Emil Ludwig

Emil Ludwig

Verehrt, verfemt, verbrannt. Eine Biografie

vonFuhrer, Armin
Deutsch, Erscheinungstermin 10.05.2021
lieferbar
28,00 €
(inkl. MwSt.)
Emil Ludwig gehörte in den Zwanziger- und Dreißigerjahren zu den bekanntesten und erfolgreichsten deutschen Schriftstellern und Autoren weltweit. Geboren 1881 in Breslau als Sohn eines renommierten jüdischen Augenarztes, floh er schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit seiner südafrikanischen Frau vor dem...

Informationen zum Titel

978-3-95768-225-3
Reinbek
10.05.2021
2021
1
Buch (gebunden)
921 g
618
144 mm x 225 mm x 48 mm
schwarz-weiße Abbildungen
Deutsch
Biografien: Kunst und Unterhaltung, Gewalt, Intoleranz und Verfolgung in der Geschichte, Erster Weltkrieg, Biografie: Schriftsteller, Zweiter Weltkrieg, Biografien: Wirtschaft und Industrie, Holocaust
Prolog Einleitung Kapitel 1: Kindheit und Schule Reservekind plus Der Augen-Cohn Die Mutter Erziehung am Esstisch Keine Schule des Lebens Der reiche Onkel aus Berlin Kapitel 2: Theoretische Studien und praktische Liebe Kapitel 3: Suche und Flucht Elga Der Groll des Vaters und die Flucht aus Deutschland Versöhnung und Tod Wiener Stammtisch Der letzte Ritter Der afrikanische Traum Zwischenspiel in Moscia 80 Tage in London Kapitel 4: Erster Weltkrieg und Revolution Taumel und Ernüchterung Als Reporter auf dem Balkan Flucht vor dem Krieg An die Laterne! Kapitel 5: Goethe und die Leiden des Emil Ludwig Der Volks-Goethe Pläne Den Eisernen Kanzler vom Sockel stoßen "Und was haben Sie schönes zu verkaufen?" - Ernst Rowohlt Die große Krise Ungewissheit Der Weise aus Heidelberg Plutarch der Weimarer Republik Arrivé Kapitel 6: Zwei Kaiser und ein Kanzler "Jedes Werk eine neue Sensation" Reise in die Sowjetunion Ein Buch zur rechen Zeit - "Wilhelm der Zweite" "Das Buch erzeugt Bürgerkriegsstimmung" "Memoiren sind wie hübsche Frauen" Der Kampf um Paneuropa und ein Schicksalsschlag "Man möchte weinen bei diesem Buch" - Bismarck Kapitel 7: Kampf um Deutschland "Nicht eingeschlafen vor Zahlen" Triumpf in Amerika Der Menschensohn Der Streit um die Historische Belletristik Gegen die Ideen von 1919 "Wir Bastarde, gezeugt aus Historie und Dichtung" Triumpf in Rom Eklat in Rom: "Die Republik schützt mich" "Juli 14" Wut, Hass, Enttäuschung "Man steht sehr in der Welt" Der "Fall Emil Ludwig" Kapitel 8: Niederlagen Ein Film ohne Ludwig Entfremdung von Deutschland Eine Ära endet Stalin und Mussolini "Widerstand? Den finden sie wohl kaum" - Rechtsruck in Deutschland "Wir sind geschlagen" - Ludwig wird Schweizer "Gefühl des Unsinns, den ich mache" Kapitel 9: Der Kampf geht weiter Alles Wagner Bewunderung und Enttäuschung Auf dem Scheiterhaufen Furcht vor einem Anschlag Im Irrgarten: Hindenburg Geheimnisvoller Nil: "Wie machen Sie das?" Eine Kampfschrift gegen die Nazis: "Mord in Davos" Unerwarteter Triumpf Besuch bei Roosevelt: "Wie in einem Traum" Kapitel 10: Amerika "Hitlers Feind Nr. 1" Ein neues Zuhause Weimar in Kalifornien Im Land der Naiven How to treat the Germans Verbissener Kampf um Deutschlands Zukunft Nochmal Stalin: Der Mann der Stunde Hitler's Madman "Gib niemals nach" Kapitel 11: Heimkehr und Ende Eine Reise durch das zerstörte Deutschland Der schönste Tag des Alters "Menschenfeindlich, deprimiert, verdrossen" Der entzauberte Freud "Am Rande des Wahnsinns stehende Söhne" Dem Ende entgegen Epilog Anmerkungen Quellen Literatur Personenregister
Emil Ludwig gehörte in den Zwanziger- und Dreißigerjahren zu den bekanntesten und erfolgreichsten deutschen Schriftstellern und Autoren weltweit. Geboren 1881 in Breslau als Sohn eines renommierten jüdischen Augenarztes, floh er schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit seiner südafrikanischen Frau vor dem militaristischen Wesen, das er allenthalben in Preußen-Deutschland ausfindig machte, in die Schweiz. Obwohl sein Onkel der zweitreichste Mann Preußens war, entschied sich Ludwig für das unstete Leben als Schriftsteller und Journalist. Sein weltweiter Erfolg - seine Bücher wurden in 28 Sprachen übersetzt - kam 1921 mit seiner Biografie über Goethe. In den folgenden Jahren legte er in schneller Folge Bücher über Bismarck, Napoleon, Wilhelm II. und über den Kriegsausbruch von 1914 vor. Ursprünglich ein unpolitischer Bohemien, entwickelte er sich zu einem scharfen Kritiker der Rechten. Als bekanntester Vertreter der "Historischen Belletristik", als liberaler Jude aus dem Bildungsbürgertum, als Autor der "Weltbühne" und als Kämpfer für Demokratie und internationale Verständigung avancierte er zum Lieblingsfeind der Rechten. Ludwig kannte viele Persönlichkeiten aus Kultur und Politik und lud viele Berühmtheiten in sein Haus am Lago Maggiore ein. Zu seinen Freunden und Bekannten zählten Walther Rathenau, Maximilian Harden, Erich Maria Remarque, Thomas Mann und vor allem auch Gerhart Hauptmann, von dem er sich später enttäuscht abwandte. Seit 1931 reiste er aus Furcht vor Mordanschlägen nicht mehr nach Deutschland. In anderen Ländern, allen voran den USA, wo er als der bekannteste Vertreter eines neuen, demokratischen Deutschland galt, wurde er zu dieser Zeit gefeiert wie ein moderner Popstar. Eine Reihe von Staatsmännern, darunter auch Josef Stalin, ließen bei ihm anfragen, ob er eine Biografie über sie schreiben wolle. 1940 emigrierte er in die USA und durfte als einziger deutscher Publizist in offizieller Mission die US-Regierung unter Präsident Franklin D. Roosevelt, den er persönlich kannte, beraten. In den fünf Jahren in den USA legte er sich mit vielen anderen Emigranten an, weil er sich für eine harte Behandlung der Deutschen nach der Niederlage des Dritten Reiches aussprach. 1945 kehrte er in seine geliebte Schweizer Heimat zurück, wurde aber von vielen deutschen Kollegen und Journalisten nun geschnitten. 1948 verstarb Emil Ludwig.
Armin Fuhrer lebt und arbeitet als freier Journalist, Historiker und Buchautor in Berlin. Fuhrer, der von 1993 bis 2015 bei überregionalen Medien (WELT, ­FOCUS) arbeitete, hat zahlreiche Bücher zu politischen, gesellschaftlichen und zeithistorischen Themen verfasst, darunter unter anderem eine Biografie über den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff sowie Bücher über Künstliche Intelligenz und »Görings NSA«, den größten Geheimdienst im Dritten Reich.
Prolog

Der lange Tisch war festlich gedeckt, zum feinen Essen ­wurde der beste Wein aufgetragen und die Stimmung unter den geladenen Geistesgrößen und Würdenträgern war erwartungsfroh. Die Großen Zehn, eine Gruppe von hervorragenden italienischen Prominenten aus Kunst und Wissenschaft, veranstaltete ein Fest­essen zu Ehren des deutschen Gastes und die High ­Society Roms ergriff die Möglichkeit, den berühmten Mann einmal aus der Nähe zu sehen. Man schrieb Ende März des Jahres 1929. Rom, die Hauptstadt des faschistischen Italien, stand ganz im Zeichen dieses Besuches, der beinahe wirkte wie ein offizieller Staatsbesuch. Der Gast aus Deutschland sollte in den kommenden sechs Tagen von König Victor Emanuel, von Papst Pius XI. und gleich zweimal vom Herrscher Italiens, dem Duce Benito Mussolini, empfangen werden. Alle großen Zeitungen begrüßten ihn mit Porträts oder Interviews, die Schaufenster der Buchhandlungen waren geschmückt mit seinen Werken und Fotos. Doch es war nicht der deutsche Reichspräsident, der die Ewige Stadt ­besuchte, nicht der Reichskanzler und auch nicht der Außen­minister. Der Mann, der in diesen Tagen Rom die Ehre gab, hieß Emil Ludwig. Er war kein offizieller Vertreter Deutschlands, er war Schriftsteller und Publizist, Autor berühmter Werke wie Bismarck, Wilhelm der Zweite, Napoleon und Juli 14, die in Italien wie in vielen anderen Ländern reißenden Absatz gefunden hatten. Dass auch der Duce sich als Leser von Ludwigs Werken outete, mochte niemanden überraschen.
Emil Ludwig, der seit 1906 seinen Wohnsitz im schweizerischen Ascona am Lago Maggiore hatte, galt Ende der Zwanzigerjahre in vielen Länder als einer der, wenn nicht als der Vertreter eines neuen, demokratischen und friedlichen Deutschland, das ein ganz anderes Bild abgab als das alte Kaiserreich vor dem Ersten Weltkrieg. Seine Reise nach Rom wurde zu einem wahren Triumphzug. Der deutsche Gesandte Konstantin von Neurath berichtete nach Berlin an das Auswärtige Amt, Ludwig sei »von italienischer Seite geradezu mit Ehrungen überschüttet worden«. Die gesamte italienische Presse habe ihn zum Teil überschwänglich gefeiert »und streute ihm als dem berühmten ›deutschen Historiker‹ reichlichen Lorbeer«. Geradezu sehnsüchtig wurde in Italien darüber spekuliert, ob der große, so immens erfolgreiche deutsche Biograf möglicherweise in Bälde ein Buch über den Duce schreiben würde (tatsächlich sollte vier Jahre später ein Gesprächsband mit biografischen Zügen über Mussolini von Ludwigs Feder auf den Markt kommen).
Die italienische Presse feierte Ludwigs Besuch auch nach seiner Abreise. Über einen Vortrag Ludwigs über Napoleon I. notierte der Giornale d’ Italia: »Der Saal der Königlichen Gesellschaft für Vaterländische Geschichte war bis auf den letzten Platz vom ausgewähltesten Publikum Roms erfüllt. Man sah in den ersten Reihen den Kultusminister, die Vertreter des Kriegsministeriums, den Gouverneur von Rom, den Fürsten Boncompagni, den Feldmarschall Caviglia und viele Senatoren; man vermisste den deutschen Botschafter.« Und Il Messagerio schrieb: »Ein Fürst unter den Biographen. Seine Bücher haben ihm einen großen, weltumspannenden Namen geschaffen, er ist eine Berühmtheit geworden.« In Deutschland waren die Reaktionen auf die Begeisterung der Italiener dagegen durchmischt. Republikanische Politiker wie Außenminister Gustav Stresemann und die demokratischen Blätter nahmen sie mit Freude und Wohlwollen zur Kenntnis, sahen sie doch in Ludwig einen Werbeträger für dieses »neue Deutschland«, das sie selbst verkörperten. Der Reichstagsabgeordnete und ehemalige Staatssekretär Oscar A. Meyer stellte fest, Ludwig sei in Rom wie eine »geistige Großmacht« gefeiert worden. Die rechten Blätter dagegen waren missmutig und tobten, ebenso Vertreter der rechten und rechtsextremen ­Parteien wie der NSDAP-Gauleiter von Berlin, Joseph Goebbels. Sie verachteten diesen deutschen Juden, der für sie all das in ihren ­Augen Schlechte, das sie mit der Weimarer Republik verbanden, repräsentierte. Die Tatsache, dass der damalige Botschafter von Neurath (der vier Jahre später Adolf Hitlers erster Außenminister wurde) nicht zum Empfang für Ludwig erschien und ihn auch nicht zu einem Besuch in der deutschen Botschaft empfing, sollte kurze Zeit später zu einer hitzigen Debatte im Deutschen Reichstag führen. Damit war Ludwig sogar zum Thema der großen Politik geworden.


Einleitung

Ende der Zwanzigerjahre hatte Emil Ludwig den Höhepunkt ­seines Ruhmes erreicht. Schon ein Jahr zuvor war er auf seiner ersten Reise durch die USA, wo sich alleine sein Napoleon-Biografie eine halbe Million Mal verkauft hatte, wie ein moderner Popstar empfangen worden, Einladung ins Weiße Haus ­inklusive. Weltweit zählte er neben Thomas Mann und Stefan Zweig zu den erfolgreichsten und bekanntesten deutschsprachigen Schriftstellern. In Deutschland war er einer der engagiertesten ­Vorkämpfer für die Demokratie und gegen die Geister der Vergangenheit, die Leid und Elend über das Land und den ganzen Kontinent gebracht hatten. Er kannte die Großen aus Politik und Literatur, empfing viele von ihnen in seinem berühmten, wundervoll über dem Lago Maggiore gelegenen Haus in Moscia bei Ascona; er war befreundet mit Ernst Toller und Erich Maria Remarque, hatte in Gerhart Hauptmann einen väterlichen Freund; Politiker wie Josef Stalin fragten bei ihm an, ob er nicht eine Biografie über sie schreiben wolle; seine Goethe-Biografie soll auf mehr als 200 Auf‌lagen gekommen sein. Und natürlich schrieb er nicht zuletzt eine Vielzahl erfolgreicher Bücher und galt als der Begrün­der einer neuen Biografie-Schule. Umso überraschender erscheint es, dass dieser Emil Ludwig heute, mehr als 70 Jahre nach seinem Tod, fast völlig vergessen ist, im Gegensatz beispielsweise zu ­Stefan Zweig, mit dem er über Jahrzehnte persönlich bekannt war und mit dem er viele Ähnlichkeiten aufweist.
Das sind Superlative, die allein schon rechtfertigen würden, über diesen Emil Ludwig endlich eine Biografie zu veröffent­lichen, um ihn dem Vergessen zu entreißen. Doch Ludwig, der eine interessante und schillernde Persönlichkeit war, sollte uns auch deshalb gerade heute interessieren, weil er ein beredtes Beispiel dafür ist, was passiert, wenn Demokraten aus Feigheit, Kurzsichtigkeit oder Desinteresse einen ihrer Vorkämpfer fallen lassen; ihm die notwendige Unterstützung versagen, wenn er Angriffen von denen ausgesetzt ist, die ein anderes System in Deutschland installieren wollen als Demokratie, Parlamentarismus und Verfassungsstaat. Vor allem auch, weil Emil Ludwig vielleicht als Erster begriffen hatte, wie wichtig und wertvoll es ist, sich um der Zukunft willen mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Mit seinen Biografien über Bismarck und Wilhelm II., mit zahlreichen Artikeln in namhaften Zeitungen und Zeitschriften der ­Weimarer Republik wie der Weltbühne wollte er die Vergangenheit des Kaiserreiches, das noch immer ein Sehnsuchtsraum vieler Deutscher war, delegitimieren, um sie gleichzeitig von den Vorzügen der ­Demokratie zu überzeugen. Es ist ein beredtes Zeichen für die ­Unreife vieler Demokraten im Deutschland der Weimarer Repu­blik, dass sie dieses Ziel nicht erkannten und ihn nicht unterstützten beziehungsweise ihn fallen ließen, als der Wind seit 1930 stärker von rechts blies. Die Rechtskonservativen, die Nationalisten und die Nationalsozialisten haben sein Ziel und die damit für sie selbst verbundenen Gefahren viel besser erkannt – und ihn daher bis aufs Messer bekämpft, wobei sie vor persönlichen Attacken gegen Ludwig, den verhassten Juden aus dem Bildungsbürgertum, nicht zurückschreckten. Wilhelm II. schimpfte ihn grollend von seinem holländischen Exil aus einen »Lügenbengel«. Der Ex-Kaiser verklagte Ludwig vor Gericht – und verlor.
Nicht zuletzt zeigen Emil Ludwigs Werk und Wirken, dass es eine Alternative gab gegen die Entwicklung, die in Deutschland seit dem September 1930, als die Nationalsozialisten ihren ­ersten großen Wahlsieg bei der Reichstagswahl einfuhren. Der renommierte verstorbene Historiker Hans-Ulrich Wehler betrachtete Ludwig nicht zuletzt als Beispiel einer deutsch-jüdischen Symbiose, und er hatte sicherlich recht damit.
Wie er versuchte, sein Ziel zu erreichen, und welche Gegenkräfte er hervorrief, darüber berichtet dieses Buch. Aber es stellt mehr da: Verehrt, Verfemt, Verbrannt ist die erste Biografie über Emil Ludwig. Das Buch zeichnet sein Leben nach, unter anderem anhand von Ludwigs Tagebuchaufzeichnungen, die überhaupt das erste Mal hier verwendet werden. Es beschreibt Ludwigs ­wichtigste Bücher und die Reaktionen darauf. Klar wird in diesem Buch aber auch, dass Emil Ludwig nicht nur mit einer großen Formulierungskunst ausgestattet war, die dazu führte, wie es hieß, dass auch die jungen Fräuleins, die sonst nur zu Liebesromanen griffen, seine biografischen Werke lasen; sondern auch, dass er mit der »Historischen Belletristik« eine ebenso erfolgreiche wie umstrittene Form der Biografie vielleicht nicht erfand, aber doch zu einer eigenständigen Form entwickelte – für Stefan Zweig war er nicht umsonst der »Begründer einer neuen Biographie«. Ludwig Marcuse, der Philosoph, stellte fest, Ludwig habe die Geschichte zwischen den verstaubten Aktendeckeln hervorgeholt und für ein breites Publikum interessant gemacht. Der Titel dieses Buches – Verehrt, verfemt, verbrannt – weist auf die Entwicklung hin, die Emil Ludwig vor allem in Deutschland zwischen 1919 und 1933 gemacht hat – vom Liebling eines großen Lesepublikums zum Lieblingsfeind der Rechten und schließlich zum Staatsfeind des nationalsozialistischen Deutschland. Ludwigs Aufstieg fiel in die Anfangsphase der Weimarer Repu­blik. Seine größten Erfolge hatte er genau während der Mitte der zwanziger Jahre, also während der relativen stabilen Jahre der ersten deutschen Republik ; die Angriffe seiner rechten Kritiker konnten ihm zu dieser Zeit nichts anhaben. Ab 1930, als der politische und gesellschaftliche Mainstream sich sichtbar nach rechts bewegte, wobei es auch eine stärker werdende radikale ­Linke gab, als sich das liberale Bürgertum auf‌löste und gesellschaftlich in die Defensive geriet, als die Rechte immer dreister auftrat, begann sein Abstieg, wenn auch nur auf seine deutsche Heimat beschränkt. Dieser Abstieg war ein Menetekel für die Republik. Die Frage ist, ob sich diejenigen, für die er kämpfte, ihn unter dem zunehmenden Druck der Rechten, die ihn auch immer stärker ganz persönlich diskreditierten, vor ihn stellten oder ihn im Stich ließen.

     

Kein weltberühmter Schriftsteller ist als solcher geboren – das gilt natürlich auch für Emil Ludwig. Diese Biografie setzt daher mit seiner Jugend in Breslau ein, wo er als Sohn des berühmten Augenarztes Hermann Cohen 1891 geboren wurde. Weil der Vater befürchtete, seine vier Kinder würden Zeit ihres Lebens wegen ihres typischen jüdischen Nachnamens Diskriminierungen erfahren, ließ er ihnen kurz nach Emils Geburt den Nachnamen Ludwig geben. Ein Unterfangen, das sein Ziel nicht ­erreichte, denn Ludwig war später gleichwohl häufig antisemitischen Angriffen ausgesetzt. Früh spürte er den Schriftsteller in sich, er schlug das Angebot aus, in der Firma seines Onkels, immerhin des zweitreichsten Mannes im preußischen Königreich und regelmäßiger Gast bei Kaiser Wilhelm II., Karriere zu machen. Mit seiner südafrikanischen Frau Elga floh er 1906 nach ­Moscia, wo Ludwig von da an mit Unterbrechungen bis zu seinem Tod 1948 lebte. Kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges entdeckte ihn nach verschiedenen erfolglosen schriftstellerischen Versuchen Walter Rathenau. Im Krieg arbeitete Ludwig zunächst als Korres­pondent auf dem Balkan und fuhr erste Erfolge mit Reportage-­Büchern ein. 1920 veröffentlichte er dann seine Goethe-­Biografie, die ihn zu Weltruhm katapultierte. In den Zwanzigerjahren entwickelte er sich mit seinen Biografien zu einem der erfolgreichsten deutschen Schriftsteller, der Erfolge neben vielen europäischen Ländern vor allem in den USA und zunehmend auch in Südamerika feiern konnte. Kurz vor Adolf Hitlers »Machtergreifung« gab er freiwillig die deutsche Staatsangehörigkeit zugunsten der schweizer auf. Den Kampf gegen die Nazis führte er auch nach dem 30. Januar 1933 von der Schweiz aus weiter. Bei der Bücherverbrennung flogen seine Werke auf den Scheiterhaufen und Propagandaminister ­Goebbels ließ in einem Buch und einem kleinen Kinofilm gegen Ludwig hetzen. Goebbels vertrat eine brutale und perverse Rassenideologie, aber dumm war er nicht – er erkannte die Gefahr, die durch Ludwig ausging, der so viele Fans in Deutschland hatte. Zugleich giftete er gegen ihn. Wenn man noch kein Antisemit sei, werde es man es gewiss nach der Lektüre der Bücher dieses »Judenbengels«, schrieb er sinngemäß in sein Tagebuch. 1940 floh Ludwig Hals über Kopf in die USA, wo er, wie viele andere Emigranten auch, in Pacific Palisades lebte. Als einziger deutschsprachiger Schriftsteller durfte Ludwig, der 1938 eine Biografie über US-Präsident Franklin D. Roosevelt veröffentlicht hatte, offiziell die US-Politik beraten. Zu Roosevelt blieb der persönliche Kontakt bis zu dessen Tod im April 1944 bestehen.
Im amerikanischen Exil verschärfte Ludwig seine schon seit Jahren verfolgte These, nach denen der Charakter der Deutschen schuld sei an der Entwicklung zu Hitler und zum Krieg. Aus seiner Kritik sparte er auch andere Emigranten nicht aus. Das wiederum brachte ihm schärfsten Widerspruch aus den Emigrantenkreisen ein – einige Autoren wie zum Beispiel Hannah Arendt scheuten nicht davor zurück, ihn wegen seiner politisch-historischen Auffassung mit persönlicher Kritik zu überziehen und dabei auch die Sprache der Nazis zu verwenden. Als Ludwig im Frühjahr 1945 aus dem Exil krank nach Moscia ­zurückkehrte, war er unter zahlreichen (Ex-)Emigranten eine geradezu verhasste Person. Zwar wurden nach seinem Tod am 17. September 1948 einige seine wichtigsten Bücher weiter veröffentlicht und erlebten in Deutschland sogar im Zuge des Streits um die Frage, wer am Ausbruch des Ersten Weltkrieges die Schuld trage, in den sechziger Jahren nochmals eine gewisse Renaissance. Doch danach wurde es still um Emil Ludwig, sehr still.
Dieses Buch ist der Versuch, die Stille zu beenden. Es handelt sich hier um eine Biografie mit politischem Schwerpunkt. Ludwigs Romane und seine Gedichte, die er ja ebenfalls schrieb, auch wenn sie niemals die gleiche Bedeutung erhielten wie ­seine historisch-politischen Bücher und Biografien, sein Wirken als Reise­journalist oder seine Bedeutung als Goethe-Biograf, um nur einige zu nennen, wären gewiss eigene ausführlichere Untersuchungen wert.
Für dieses Buch konnte auf verschiedene Archive zurück­gegriffen werden. Allen voran auf den umfangreichen Nachlass im Bestand des Schweizerischen Literaturarchivs in Bern. Hier lagert der Nachlass inklusive fast 2200 Seiten ­Tagebuchaufzeichnungen Ludwigs. Da er sie in einer sehr seltenen Stenografieschrift in ­kleine, in Leder gebundene Bücher schrieb, haben wir allen Grund, seinem Sohn Gordon Ludwig dafür dankbar zu sein, dass er diese Tagebücher in mühevoller Arbeit mit der ­Schreibmaschine abtippte. Umso mehr, weil es möglicherweise niemand anders gegeben hätte, der diese Arbeit überhaupt hätte vollbringen können, weil sonst keiner diese Schrift lesen konnte. Ludwig aber hatte sie seinem Sohn in dessen Jugendjahren beigebracht.
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